Von heißen und edlen Männern - Of hot and noble men

Der Standard, 24 March 2015

Ein Londoner Kunsthändler restituiert ein 1944 in Wien enteignetes Gemälde El Grecos

London/Wien - Im Juni 2014 tauchte im New Yorker Kunsthandel ein Gemälde auf, das 1944 einer jüdischen Industriellenfamilie in Wien entzogen worden war: El Grecos Porträt eines Edelmannes, das nun an die Erben restituiert wurde. So weit die Kurzfassung einer Geschichte, deren Ausgang insofern ungewöhnlich ist, als die Bereitschaft, faire und gerechte Lösungen im Sinne der Washingtoner Principles (1998) zu finden, im Kunsthandel die große Ausnahme geblieben ist.


Nach jahrzehntelanger Wanderschaft durch den Kunsthandel wurde El Grecos "Porträt eines Edelmannes" (1570) nun an die Erben nach Julius Priester (Wien/Mexiko) restituiert.

So vorbildhaft das Ergebnis ist, der in London ansässige "Musterschüler" , der das Bild bei einem US-Kollegen in Kommission hatte, will anonym bleiben. Weder will er mit NS-Raubkunst in Verbindung gebracht werden, noch wünsche er Lob. Er habe das Richtige getan, damit sei er zufrieden, beschreibt Christopher Marinello seinen Klienten, der das auf die Abwicklung solcher Fälle spezialisierte Unternehmen Art Recovery beauftragt hatte. Details zum Restitutionsdeal mit den von der Commission for Looted Art in Europe (CLAE) vertretenen Erben unterliegen der Vertraulichkeit.


Historische Interieuraufnahme (vor 1938) vom Speisesalon der Wohnung von Julius Priester, im Hintergrund El Grecos Gemälde eines italienischen Edelmann
es

Die Wanderschaft des Bildes nahm in Wien, kurz nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im März 1938 ihren Anfang. Bis dahin war es Teil einer 51 Kunstwerke umfassenden Sammlung des Industriellen Julius Priester, der mit seiner Frau nach Mexiko geflohen war. Neben einer in ihrer Güte besonderen Anzahl niederländischer und italienischer Altmeister enthielt diese auch Qualitätsvolles aus dem 19. Jahrhundert. Im Zuge der Vermögensanmeldung war die Kollektion laut Sophie Lillie (Was einmal war, Czernin Verlag 2003) inventarisiert und mit 29.840 Reichsmark bewerteten worden – der El Greco mit 1000 Reichsmark.

Zirkulierte über Jahrzehnte im Handel

14 Bilder wurden im November 1938 und im Mai 1939 in Priesters Wohnung sichergestellt. Den Rest der Einrichtung hatte der Industrielle in der Firma eines gewissen Max Föhr eingelagert, der nach Kriegsende auf eine Beschlagnahmung der Gestapo 1944 verwies. Recherchen Anne Webbers (CLAE Co-Chair) zufolge gelangte das Greco-Gemälde über den Gestapo-Schätzmeister Bernhard Wittke in den Besitz der Galerie St. Lucas, die es 1952 an ihren einstigen Geschäftsführer Fritz Mondschein verkaufte, der 1939 nach New York ausgewandert war.

Frederick Mont, wie er sich nach seiner Emigration nannte, trat Anteile an dem Bild an Kollegen ab: an den gebürtigen Deutschen Rudolf Heinemann (ab 1935 Pinakos Gallery, NY) sowie an die Knoedler Gallery (New York), die noch 1990 bei einer Ausstellung in Kreta als Leihgeber aufschien.

Dass die Provenienz des Gemäldes einen Makel hatte, wussten sämtliche der involvierten Händler. Webber verweist in diesem Zusammenhang auf den Verfasser des Katalogtextes namens "R. Johnson". Wie sie herausfand, handelt es sich dabei um ein Pseudonym, denn der Autor wollte nicht mit dem Händler als damaligem Eigentümer in Verbindung gebracht werden, zumal diese wegen der problematischen Geschichte besorgt gewesen sei. Gemäß STANDARD-Recherchen handelte es sich bei diesem Kunsthändler um Derek Johns, ehemaliger Leiter des Altmeister-Departments bei Sotheby’s (1974-1981), der das Gemälde dem Vernehmen nach im Auftrag eines Klienten für die Ausstellung in Kreta vermittelt hatte.

Schließlich wurde der "heiße" Edelmann spätestens 2003 in einer Schweizer Treuhandgesellschaft "geparkt", aus der ihn der Londoner Kunsthändler 2010 erwarb. Über Jahre hatten die Schweizer auf keine der Anfragen der Commission for Looted Art reagiert, die von den Erben mit dem Auffinden der Sammlung beauftragt wurde. Bis auf wenige Gemälde, die 1947 an Julius Priester restituiert wurden, verlief die Suche bis zu dessen Tod 1954 mehr oder weniger ergebnislos. In den vergangenen zehn Jahren spürte CLAE sechs Gemälde auf, mit dem El Greco hält man bei sieben. 30 Kunstwerke aus der Sammlung Priester gelten weiterhin als verschollen. (Olga Kronsteiner, DER STANDARD, 25.3.2015)

http://derstandard.at/2000013404506/Von-heissen-und-edlen-Maennern

 
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